Jonathan und Käthe

25
Nov
2007

Hotelperspektive

Wir streifen unsere Kreditkarten von den Körpern ab und legen sie auf die Nachtschränkchen. Frau Röber knipst ihre Reiseschuhe von den Füßchen und seufzt halblaut. Sie breitet die Arme auf der Matratze aus. Ich schaue aus dem schlecht geputzten Fenster. Eine Straßenbahn kreischt durch die fremde Stadt. Das Zimmer ist hell und freundlich. Frau Röber ist dunkel gekleidet. So, wie ich sie aus dem Büro kenne.

Knapp grüßend jeden Morgen an mir vorbei. Harsch und spröde, dabei würdevoll. Der Kopf gehoben, die strenge Frisur leicht aufgelockert mit Frühstücksjazz. Auf dem Hotelbett trägt sie die Haare offen. Zwanghaft vergewissere ich mich, ob die Keykarte vorhanden ist. Ich nehme sie zwischen die Finger.

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19
Nov
2007

Käthes Stiefelknecht

Im Vorgarten ist kaum bewegte Luft. Käthe sitzt in schwarzen Stiefeln auf den Treppenstufen zum Hauseingang. Ihre rötlichen Locken sprühen Funken im Sonnenschein. Sie putzt das Stiefelleder in graden Bahnen. Sie fährt mit dem Tuch auf und ab. Ich kenne diesen konzentrierten Blick, diese Suche nach Musik in der Stille. Ich schaue hinaus zu ihr und verpasse meine Lieblingssendung im Radio und eine Eifersuchtsshow im TV. Stille Momente des Bannens. Dieser erhabene Anblick. Dieser Moment des Genießens. Während sie ihre Stiefel putzt, sieht sie aus, als würde sie ihre Beine rasieren. Diese weißen, graden, weichen Beine. Diese Beine aus meinen Jugendträumen unterhalb von Rock und in Jeans, wie sie nur meine blutjunge Chefin meiner Lehrjahre hatte. Diese überaus flinken Beine. Ein Anblick, den ich nie beschreiben, aber immer im Hinterkopf behalten wollte. Dieser Hauch von x, diese minimale Fehlstellung beim Abknicken des linken Unterschenkels, diese zaghafte Zunahme des Oberschenkels zur Körpermitte. Dieser nicht ganz gleichschenklige Grübchenschritt. Oben innen und außen etwas tiefer zwei Muttermale in warmen Farben. Kackbraun und mit schwarzen langen Haaren drauf.

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16
Nov
2007

Die dumme Sache

Als ich Käthes Wohnung betrete, nachdem sie mir erst nach zweimaligem Klopfen öffnet, merke ich, dass irgendetwas nicht stimmt. Sie hat Besuch. Ein mittelalter Herr mittleren Aussehens mit Halbglatze und Hornbrille steht da. Sein Bart ist beschnäuzt und sein Haarkranz weiß beschuppt. Gleich sehe ich, dass er keinen Spaß versteht. Mein Trost dabei ist, dass Leute die keinen Spaß verstehen, wenigstens auch aktuell keinen haben. Ich weigere mich aber, dieses Leiden mit ihm zu teilen. Mein Leiden ist eben mein Leiden und es gehört mir ganz alleine. Die Sache klärt sich schnell auf.

Der Herr ist ein Kommissar, gekommen relativ diskret und mit Haarkranz um Käthe, mein böses Schluderluder festzunehmen und einzuknasten für ein paar Tage. Grund? Nun ja, da sind halt die Gründe aufgelaufen. Falsch parken, unbezahlte Rechnungen, pinkeln in der Öffentlichkeit und auch noch im Stehen, Sodomie, wenn auch nur im Kleinen und die kleinen Vergehen mit ihren verschiedenen Selbsthilfegruppen, beigetretenen und gegründeten – wer kennt sich denn da noch aus? Herrgottchen, da kommt halt was zusammen, Versammlungsrecht, öffentliches Ärgern und Ärgernis, eine Vielzahl von Ungezogenheiten. Dennoch ist es ein wenig ungewöhnlich, dass jetzt mahnungslos dieser Kommissar auftaucht und Käthe, meine Käthe festnehmen will. Und ich bin nun nicht zum Helden geboren und auch dazu nicht bereit, aber schon ein wenig traurig und auch in der hintersten Ecke meines Seins gewillt, diese Geschichte zu verhindern. Käthe zeigt zunächst verschränkte Arme, dann einen Stinkefinger um schließlich darauf zu bestehen noch am helllichten Tage und bei offenen Nachbarfenstern und nackt in Handschellen abgeführt zu werden, weil sie aufrecht gehen wolle. Weiblich wohlriechend, aber aufrecht und so, dass alle Welt sieht, wie sehr Frau sie auch noch in dieser Situation sein kann.

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28
Okt
2007

Finchen

Dein Herz am Baum, so groß wie deine Zunge – so lang wie deine Haare. Selbst eingeschnitzt, tief in die Rinde. Tief in die Wurzel geschaut. Eingespeichert in die Erinnerung, verplombt. Finchen. Jugendliebe, Jugendtraum, aromatisches Abenteuer. Finchen im Wald, Finchen am Moor – tief in mir eingesunken, vergraben für alle Ewigkeit. Manchmal zugeschüttet vom Leben, doch nie ganz verschwunden und in den Schründen und Falten des Hinterkopfes geblieben. Die erste Liebe war wie Zöpfe, die man sich nicht abgeschnitten vorstellen konnte. Wie deine Zöpfe. Geflochten zum Strick, zum Bindungsglied zwischen dir und mir. Unsere Zeit war für immer bestimmt. Für die erste Stunde, für zwei Tage, für wenige Wochen und sogar ein ganzes Jahr. Dein Körpergeruch pendelte sich zwischen Kind und Frau ein. Ich erinnere mich gut, ich roch so etwas nie mehr.

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16
Okt
2007

Im Büro

Im Büro fallen keine Sterne vom Himmel, dafür aber der Putz von der Decke. Das Telefon hält keine Sekunde still. Ruhelos schaue ich aus dem Fenster. Ich lasse es läuten. Draußen wehen lange blonde Haare. Ich beobachte sie von weit oben, bis sie hinter der nächsten Bürohausecke verschwinden. Drüben schieben sie Hausfrauen ab. Zurück zu ihren Hausmännern. Mich jucken die Fußsohlen. Ich versuche mich durch die Kreppsohle meiner nagelneuen Stadtschuhe zu kratzen. Die Schuhe sind hell und freundlich und Käthe hat sie für mich ausgesucht, liebevoll und bestimmend. Ich schwebe wie auf gutgemachten Rühreiern durch den Raum. Die Sohlen federn, sie machen leicht. Sie sind wie verbotene Katapultschuhe für Hochspringer. Im Büro neben mir erfüllt sich Herr Schmidtke einen alten Jugendtraum und versohlt den Hintern einer brasilianischen Schönheit mit einem Sexspielzeug. So einen wie man ihn vom Karneval in Rio kaffeebraun tanzend und schwindelig machend, kennt. Die junge Frau hat hörbar Vergnügen an dieser Behandlung. Ich schließe betont angewidert meine Bürotür und schaue mir die Speisekarte auf meinem Computerbildschirm an. Es gibt Rollbraten in Pflaumensauce und „Wir sind verpflichtet auf die künstlichen Aromastoffe aufmerksam zu machen.“

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24
Aug
2007

Berufswahl

Was soll nur werden. Irgendetwas will ich doch auch mal sein. Da sein und identifizierbar. Nur Büro und wenig Sex in ihm, dass kann es auf Dauer nicht sein. Das schafft Migräne. Flatterhaut gibt das am Schädel. Sitze wieder in der Abendbahn. Mitten im Verkehrsstau meiner Gedanken. Der Führer wurde abgeschafft, aus historischen Gründen, wegen seiner Eindeutigkeit und seinem schlechten Ruf. Zudem sind derzeit Oberlippenbärte aller Art total aus der Mode gekommen. Dem Führer wurde etwas vorgesetzt, was ihn als Führer quasi entstellt. Es gibt den Spielführer. Es gibt den Triebfahrzeugführer. Einer der geilsten und potentesten Berufe unserer Zeit. Ein Job mit Hammerwumm. Er trägt eine orange Sicherheitsweste, auf der steht hinten drauf „Triebfahrzeugführer“ und darunter 10 und Deutschland.

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18
Aug
2007

Hamburg-Bremen-Bremen-Hamburg

Zwischen Hamburg und irgendwo liegt dieses für mich so unbeschreibliche Niemandsland. Dort ist die Fremde, in der sich Körper verschiedentlich suchen, haltlos und ohne Planken. Während meiner Zugfahrten wird mir das klar, wenn die Landschaft hinter der Scheibe nur so vorbeischmiert. Dieser Norden gibt mir dann Geborgenheit, ist wie eine erfrischend kühle Muschel, die mich mit Seewinden umspült. Rhythmisch rattere ich heim. Ohne zusätzliche Tabletten, aber versorgt zwischen Bremen und Hamburg in dieser vorbeischmierenden Landschaft.

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18
Jun
2007

Lieber geht´s durch den Magen

Früher gab es immer Nudeln. Später Spaghetti, dann Maccaroni. Mittwochs immer Reis mit Scheiß und Freitags Fisch. Samstags kam die Kartoffelsuppe auf den Tisch. Zu jeder Tageszeit übrigens! Und am Sonntag war man aus oder hielt den Mittagsschlaf. Mit Käthe ist alles beliebig geworden und doch sehr berechenbar. Die Phase wo es Hamburger als Beilage zur Tiefkühlpizza gab, ist vorbei. Wir erinnerten uns an früher und wollten das unseren Geschmacksnerven nicht mehr antun. Derzeit steht sie auf Trennkost.

Ja, meistens essen Käthe und ich getrennt. Das hat viele Gründe. Ich finde ja, dass ein ganzes Leben nicht durch den Magen passt.

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22
Dez
2006

Weihnachten - Ein Fest für Experten

Verschiedener Sprachen bin ich mächtig. Ich spreche das Kauderwelsch des Hundsfott von der Straße, der vom Marktplatz gewiesen wird wegen unerlaubtem Betteln. Ich lehne mich an das Fauchen der Katze an, wenn es sich um eine Frau handelt. Ich verstehe die Jugendsprache, die uns Ältere mit Neologismen erfreut und selten überrascht. Käthe erstaunt das durchaus, dass ich so ein aufgeschlossenes Kerlchen bin, teilweise in ganzen Sätzen spreche und auf dem besagten Markt am Glühweinstand ein echter Schuss bin. Gut, ich bin bei weitem nicht immer herausragend. Man kann schließlich nicht alles können.

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21
Nov
2006

Feierabend im Büro

Diese jungen Frauen, wie sie geschwätzig im Vorhof ihrer eigenen Brustwarzen stehen. Ich sage Warzen, nicht Haare. Draußen senkt sich der Stadtstaub unter die Dämmerung auf die Fensterscheiben. Sie klirren vor Spannung. Herr Göbel gibt mir noch in letzter Minute einen Vorgang. Privatgespräche auf ein Minimum reduzieren, den Browser von Favoriten blank putzen. Ein Leben zwischen Abmahnung und Gleichgültigkeit und Realplayerfilmchen ohne Ton. Frau Latte Macchiatto, die befleckte Italienerin mit späten Milchzähnen lächelt Spangensilber zu mir herüber. Sie trägt jetzt schon Ohrwärmer, obwohl der Herbst recht milde ausfällt in diesem Jahr. Ohrwärmer in Pfeffer- Salz- Muster. Italienerinnen beugen sich vor norddeutscher Feuchtigkeit. Sie hat mir mal erzählt, dass ihre Unterwäsche ein Vermögen gekostet hat. Ja, weil ihr die Qualität wichtig ist. ...

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