Befindlichkeiten

14
Sep
2010

Moderner Sklavenhandel

ladenburg altstadtfest am weekend

Moderner Slavenhandel


Man muss sich das grundsätzlich ganz anders vorstellen. Heutige Sklaven hocken nicht mehr nackt und in Ketten auf Pferdeanhängern und lassen sich dort von den Interessenten die Zähne untersuchen, sondern sie sitzen angezogen und gut frisiert in geräumigen, renovierten Altbauten. Ich war neulich mal verreist in den Süden: da gibt es ihn noch, den Sklavenhandel. Überall dort, wo es um Geld und Geltung geht.

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9
Sep
2010

Familientag

Meine Frau Jolanthe ist aus einem ganz anderen Rauchspan, wie mein mir angedichteter Sohn. Sie verkauft Essen auf dem Markt. Seemannsfutter für alle. Sie ist die Flinkeste beim Kartoffenschälen und immer noch ein heißer Ofen. Ihre Gebärmutter brodelt wie eine Gulaschkanone. Männer mit Bärten wickelt sie um ihren kleinen Kochlöffel. Mein Sohn Hinnack hingegen ist weich wie ein Federball, sportlich zwar, aber ohne starkes Kreuz, nur mit gut ausgearbeiteter Unterarmmuskulatur. Er spielt Squash ganz in weiß.

Manchmal machen wir etwas zu dritt. An unserem Familientag stellen Jolanthe und ich Bierdosen in Kinderwägen und zeigen den verdutzten bis empörten Müttern Nasen. Unser Sohn parkt mit Diätcola daneben und schämt sich für uns. Der feine Herr scheint sich für etwas Besseres zu halten, nur weil er seit Kurzem mit einer „von Weizsäcker“ liiert ist, einer vollkommen unbekannten und verschmähten Großnichte des Altbundespräsidenten in einer verwandtschaftlich bedeutungslosen Nebenlinie.

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25
Aug
2010

Regine

Das war ein Spitzenjahrgang. Diese Mischung aus Rauch und Nichtrauch auf dem beweglichen Schwenkpfosten im Urlaub. Und jetzt du hier am Jägerzaun. Deine Kinder wie Orgelpfeifen hinten im Garten. Die Ilse mit Schweineschaukeln. Und dann mit dir über Tee und Wein geredet, über den Spitzenjahrgang bei der zufälligen Begegnung am Meer, auf diesem beweglichen Schwenkpfosten, neben dem Vollpfosten mit Algen. Und jetzt du hier. Wie damals nicht viel Zeit.

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22
Aug
2010

Der Zug ist abgefahren

Im steilen großen Theater von Kampnagel ganz oben. Geschrei und Bilder, Videos und Freaks auf der Bühne. Um mich herum der Geruch junger Menschen, teilweise lachend, teilweise in die Leere starrend, ab und zu ins blaue Licht gehüllt. Kein ruhendes Theaterlicht, nur ein Flackern. Menschen aus Burkina Faso und überall. Remdoogo klingt und leuchtet alles, so wie das Opernhaus mal heißen soll. Die kommen dort nicht zur Ruhe. Das Chaos übermannt auch mich, bis die Bilder sich fügen, ich eine deutliche Ästhetik erkenne und mich mit dem Stück finden will. Da erscheint der noch junge, noch tobende, noch „Scheiße“ schreiende und von Krebs gezeichnete Christoph Schlingensief auf der Bühne und sagt: Gebt nur Geld für dieses Projekt und gebt endlich euren europäisch selbstgefälligen Altruismus auf. Sinngemäß sagt er das, deshalb steht das auch nicht in Gänsefüßchen, denn Schlingensief steht nicht in Gänsefüßchen. Schlingensief ist präsent und beschäftigt, er ist ein Star und ungefällig und in seiner Angegriffenheit schön.

Und ich verstehe: für sozialpädagogische Suppentöpfe mit Betroffenheitshintergrund für dürre, unterernährte Menschen mit brauner bis schwarzer Haut, aus denen diese riesigen Augen herausschauen, ist der Zug abgefahren.

Schlingensief will keine Almosen, er will seine Kunst und die überall zeigen und das kostet, vor allem Schweiß und Geduld der Menschen, die irgendwo hingehen, damit es ihnen gefällt. Mir hat der Abend nicht gefallen, aber er ist tief haften geblieben, hat Eindrücke und eine unruhige Haut hinterlassen.

Jetzt hat jemand da im Raum vielleicht ein bis zwei Mal mehr nachgedacht, weil es so herzig ist, wenn ein sterbender Mensch so aktiv ist und soviel mehr will, als er noch erfüllen kann. Der Zug ist jetzt auch abgefahren und die Herzen flattern ihm zu, oder überlegen zumindest ob sie flattern wollen, dazu wäre einem gesunden jungen Regisseur wieder eine schöne ach so erregende, ach so provokante und ach so aufrüttelnde Geschichte eingefallen.

Früher hätte man die Töchter und Söhne wegen so einem unbedingt festgehalten. Beruhigt euch ihr Menschen. Der Mensch mit dem Gewirr von Bedeutungsebenen ist nicht mehr. Das ist kein Trost, dass ist hoffentlich nur ein kurzes Durchschnaufen.

(Zum Tode von Christoph Schlingensief)

22. August 2010

21
Aug
2010

19
Aug
2010

Zusammen oder getrennt?

Diese Geschichte stammt aus einer Zeit, als ich noch mehr Liebschaften, als Leben hatte. Da passierte mich einfach wallendes junges Blut auf der Straße und ich fasste Mut und bat um einen Tanz. Mit einer jungen Frau suchte ich dann auch eines dieser Lokale auf. Hach, wie sehr ich diese Formulierung liebe: eines dieser Lokale. Und sie sagt so gar nichts aus und dennoch weiß jeder, was gemeint ist. Die junge Frau war mir schon länger aufgefallen, wegen ihrer schneeweißen Zähne und diesen strahlenden Augen, die mich beinahe blendeten.

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11
Aug
2010

Die Entführung der Braut

„Wo soll es denn hingehen?“ fragt Sabimaus und setzt sich hinten in den Wagen. Sie nimmt ordentlich Platz, ihr Kostüm ist doch etwas arg kurz geraten. Ihre drei männlichen Entführer wirken lustlos und haben weder etwas Rabiates, noch etwas Brutales an sich.

„Aber nicht, dass mein Kostüm schmutzig wird!“ Sabimaus schaut streng. Sie hat nicht in weiß geheiratet, weil dass ja etwas unpassend ist, als Frau deutlich über dreißig und sogar einiges über vierzig. Dazu noch als Vorstadtsekretärin und Partybonbon, regional bekannt.

„Findest du, dass Uwe zu dir passt?“, fragt der Oberentführer und Wagenlenker, seines Zeichens auch Brautcousin.

„Die Frage stellt sich doch gar nicht, ob er passt!“ Sabimaus bekommt dabei ein pikiert violettes Gesicht, welches ihrem Teng allgemein schadet.

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6
Aug
2010

Büroschlaf

bueroschlaf

Es gab mal Zeiten, in denen Chilipulver auf Bäumen wuchs. Und zwar in der Nähe von Autoraststätten mit Gulaschkanonen aus russischen Panzern. In diesen Zeiten lernte ich Hildegard von Bingen kennen. Sie war eine Kommilitonin von mir. Wir hatten beide den Studiengang „Seelsorgreisen“ in Erbarmen belegt. Hildegard war eine gute Tänzerin zwischen Gänseblümchen und Säkularisation. Auf gemeinsamen Demos küssten wir Polizisten ins Herz und wurden festgenommen. Wir schmorten uns gesund. Unsere Säfte hatten die rechte Ordnung und ein gutes Maß.

Ich wurde auf den Bohrturm geschickt und später zur Strafarbeit am verdammten Schreibtische verdonnert. Dort hatte ich Zeit über meine ungestüme verlotterte Jugend nachzudenken. Und zudem fand ich endlich einmal Schlaf nach hunderten von Jahren.

6. August 2010

31
Jul
2010

Sommer 2

Ein akkurat geschnittenes dreieckiges Fruchtstückchen auf dem Kirschblütentellerchen. Heute bedient Mutter mal mit freier Brust, weil Sonntag ist. Sie hat diese auch mit Eukalyptusöl einreiben lassen, damit sie frei durchatmen kann, von Vater, dieser Sau.

Mutter öffnet sorgfältig das Orangenhauttetrapack und schenkt genau bis zum Strich ein. Dann setzt sie sich auf mich und fragt mich Englischvokabeln ab. Ja, auch in den Sommerferien gehört der Kopf trainiert, besonders für so einen lauen und umtriebigen Knaben wie mich, der immer nur Mädchenunterwäsche im Kopf hat.

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30
Jul
2010

Sommer

Schnall mir den Schneemann auf den Bauch. Deine Eltern zerschmelzen auf der kalten Heizung. Trage das Herztoupet am Strand und schau auf die bunten Bikiniwäscheleinen. Trink mit mir Blumen aus meinem Beet, fang mit mir Zöpfe vom Mädchenlachen. Fahr mit dem Roller aus Lego mit mir und pflücke mir Pulsadern für den Herbst. Dann backen wir Pizza, gut mit Jungalgen und Entenklein belegt. Dann streicheln wir verschleierte Araberpferde mit unserem sozialen Gewissen so zärtlich und behutsam es geht.

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