Als sie heirateten, waren sie beide schön wie ein Königspark im Winter, oder auch wie Königswinter im Park. Sie galoppierten durchs Leben. Er wurde sogar Galopper des Jahres. Dann kauften sie sich einen Anhänger und einen Lieferwagen. Auf den Märkten des Landes verkauften sie Suppen und die Gastarbeiter liebten sie. Ihre Suppen waren in alle Farben der Länder getaucht. Sie leuchteten schon Kilometer weit und erzeugten Nordlicht-Fata-Morganas auf den Autobahnen. Die Behörden verbaten diese Suppen aus Sicherheitsgründen. Sie wurde festgenommen und in eine psychiatrische Anstalt eingeliefert, da man sie als Suppenhexe einstufte und härtere Strafen für Hexen grade so aus der Mode gekommen waren.

...

Zum Frühstück gibt’s ein hart gekochtes Ei mit Fisch. Die Nutellaskulptur ist mit einem Papierschirm geschützt. Junge StudentInnen sitzen über einem Notebook. Die Soundkarte versagt vor Vergnügen.

Jungs von der Wasserkante singen. Zugereiste grüßen Zugereisten. Kölner reisen ab. Kinder denken sich von Tür zu Tür. Heute als Pirat. Morgen als Quadrat. Karneval ist ein hartes Brot, in der Hochburg der schwitzenden Normannen.

Hamburg brennt. Wandsbek bleibt Wandsbek wie es singt und nicht lacht.

12. Februar 2010

Eines Nachmittags stand der junge Moritz Wagner auf der zugefrorenen Hamburger Alster und dachte nach. Er dachte solange nach, bis ihn eine junge Hobbyeishockeyspielerin fragte, ob alles in Ordnung sei. Moritz nickte stumm und ging ein paar Schritte, ohne das bemerkenswerte Gesicht der jungen Frau zu beachten.

„Warum vögeln Menschen miteinander? Was treibt sie dazu? Zu Tausenden!“ Moritz fand die Vorstellung der potenziellen Miteinandergeschlechtspartner in seiner unmittelbaren Umgebung gruselig. Denn Tausende hatten die Außenalster bevölkert und alle gingen ihrem sinnlosen Treiben nach.

...

Der Wecker klingelt. Ich stehe auf, frühstücke die Zigarettenasche vom letzten Abendbesuch, gurgle sie mit Milchkaffee herunter und gehe mit Jim Morrison eine Runde um den Block. Ein Schwatz mit Maria Rippenfell, meiner neuen hübschen Nachbarin. Jim Morrison pisst ihr auf die Wildlederstiefel. Ich entschuldige mich. Es macht ihr nichts. Am türkischen Kiosk kaufe ich die Bild in Hebräisch, um später den Fisch darin einzuwickeln. Dann lese ich die andere Zeitung mit Bildern drin und tanze auf meinem Speichelseil.

...

Gibt es nackter als nackt? Bloßer als bloß? Gibt es das, Bestandteil eines trockenen Witzes zu sein? Noch lacht man sich gegenseitig an, mit schweißnassen Handflächen. Klatscht sich ab. Es trieft vor Freundschaft und der gemeinsamen Vorliebe für die gleichen Vorhänge, hinter denen man sich alles erzählt. Man verzaubert sich gegenseitig. Mannomann ist das menschlich. Mannomann ist das schön.

...

Im Moment kann ich Dich nicht gebrauchen. Ich bin ein zahnloser Wolf, liege auf dem Rücken und gräme mich. Es wird nie wieder so sein. Ich bringe keine gute Laune mit und du allerhöchstens gut gemachte Brüste und 49 Kilo Discohippel. Ich gehe lieber spazieren mit dem Hund, oder mit der schweinshaxigen Nachbarin. Die hat was Erdiges. Mit der kann man Schneefrauen bauen und auf dahergelaufene Jugendliche mit Schneebällen werfen. Schneeballsystem halt. Die Lawine rollt und bald sind die kleinen Arschlöcher raus aus unserem Viertel.

Geh bitte, meinetwegen auch aus meinem Leben. Versteh mich. Du störst meine Sonntagsruhe.

24. Januar 2010

Auf mir liegt der Dreck der ganzen Jahre. Ich riech nach Krankheit und Medizin und vor allem stark nach dir. Ich quetsche Pflaumenkuchen durch das Sieb und entsteine Liebesschwüre. Ich werfe alte Videobänder in den Garten und warte, bis sich fremde Frauen in Wintermänteln darauf stürzen. Und dann läuft in mir ein Film ab. Wieder ganz von vorn. Dein Engelsgesicht auf meinem Schoß. Dein Mund und dein Sopran in meinen Haaren. Deine Tränenbäche auf meiner Brust. Meine Tigeraugen lächeln gesund und blinzeln verschmitzt.

Wir ziehen gedachte Zäune um unseren Garten.

...

und alles im Januar 2010.

Du bist meine Winterbraut. Weiße Lippen, weiße Haare und kahle Zweige. Küssbar und aus einem ganz eigenen Holz geschnitzt. Du und Labskaus, dies sind meine Freunde, um über die kalte Zeit zu kommen. Schön ordentlich warm von innen und alles durchgemengt. Du bist die schönste Erreichbare. Mit dir will ich Schlitten fahren und abstürzen. Du bist mein bestes Gegenstück beim Aquavit. Ich sehe auf den See hinaus. Er friert so still vor sich hin. Er leidet nicht, er ist eben da. Er hat alles, was er braucht. Manchmal sogar Fische.

Ich rieche die weiße Welt. Die Hochzeit mit dir. Ganz schlicht und ohne Aufregung. Ich lege mich in dein weißes Kleid und ruhe mich aus, bis die Wärme kommt.

12. Januar 2010

Ich kann sagen, ich bin ein schweres Pfund in deinem Leben. Dabei wirke ich unvergänglich und solide. Ich nenne mich Martin, wenn es regnet und Heinrich, wenn es schneit. Ich bleibe bei dir aus Gewohnheit und Liebe. Ich trage dir nichts nach. Alles ist so verlaufen, dass es zu mir passt. Es hätte viel schlimmer kommen können. An Montagen nehmen eben leider die Gelenkschmerzen etwas zu. Dann reibe ich alles ein, was infrage kommt. Solange und ausführlich, bis ich wieder ein menschliches Fühlen wahrnehme.

Wenn mich Leute etwas über uns fragen, antworte ich, dass ich das meiste einfach vergessen habe. Deswegen weine ich auch nicht, sondern spucke allerhöchstens Blut. Warum, kann sich kein Arzt erklären.

3. Januar 2010